Wie denkt die klassische Homöopathie?

Die Homöopathie geht von einem holistischen Weltbild aus. Es beruht auf dem Grundsatz: Das Ganze ist grösser als die Summe seiner Teile. Dies steht im Gegensatz zum kartesianischen Weltbild, das bis heute grösstenteils Wissenschaft und Forschung prägt und lautet: Das Ganze ist gleich der Summe seiner Teile.
Der Mensch ist mehr als die Summe seiner körperlichen Teile und Organe, seiner Psyche und seinen geistigen Fähigkeiten. Die Homöopathie geht von der Annahme aus, dass im Menschen eine zentrale Kraft vorherrscht, die alles Lebendige durchdringt und die gesamten Funktionen in uns Menschen dirigiert, koordiniert, überwacht und so den materiellen Körper zu einem belebten Wesen macht. Samuel Hahnemann nannte sie die „Lebenskraft”.

Gesund ist ein Mensch dann, wenn die ihm innewohnende Lebenskraft all seine körperlichen Teile und Organe, ebenso wie die Gefühle in harmonischem Fluss hält, so dass der Mensch sich dieses gesunden Körpers wie eines Werkzeugs bedienen kann, um den höheren, kreativen Aufgaben seines Lebens gerecht zu werden.

Krank wird ein Mensch dann, wenn die Lebenskraft in ihrer Harmonie gestört wird. Dies kann geschehen durch Krankheitserreger, Kummer, seelischen oder körperlichen Schock, unterdrückende Behandlungen, Medikamente, manchmal auch Impfungen oder genetische Vorbelastungen.
Nach einem solchen negativen Stimulus versucht die Lebenskraft das Gleichgewicht im Körper wieder herzurichten. Sie sucht sich Ventile, um die Störung abzuleiten. Diese Ventile nehmen wir als körperliche Symptome wahr, wie Erbrechen, Durchfall, Kopfweh, Sinusitis, Lumbago, Depressionen, Paranoia etc.
Die Symptome sind intelligente Zeichen unserer Lebenskraft. Sie sind die besten körperlichen Reaktionen, die möglich sind. Die Lebenskraft bemüht sich, die Störungen peripher zu halten, das heisst ausserhalb unserer lebenswichtigen Organe und geistigen Fähigkeiten. Werden diese intelligenten Reaktionen unterdrückt (z.B. durch Medikamente), ist die Lebenskraft gezwungen, sich neue, andere Ventile zu suchen bzw. neue Symptome zu produzieren, diesmal auf einer tiefer gelegenen Ebene unseres Körpers.

Dies ist wohl auch der grösste Unterschied zur Schulmedizin. Die Homöopathie ‚liest’ die Symptome des Körpers als Selbstheilungstendenz, die es zu unterstützen gilt. Die Schulmedizin sieht ihr Ziel in der Unterdrückung der Symptome durch Medikamente. Symptome weg gleich Patient geheilt. Was aber bei einer unterdrückenden Behandlung passiert, ist, dass der Körper sich ein neues Ventil für die Krankheit suchen muss und dies dann meist auf einer zentraleren und heikleren Ebene des Körpers oder der Psyche tut.

Die Zusammenarbeit mit der Schulmedizin ist in vielen Fällen notwendig. In der Diagnostik, der Chirurgie und bei Notfällen allgemein. Bei lebensgefährlichen (infektiösen) Situationen muss sofort und ohne Zeit zu verlieren verschrieben werden. Zeigt sich, dass das richtige homöopathische Mittel nicht unverzüglich gefunden wird und wirkt, muss schnellstmöglich mit schulmedizinischen Medikamenten interveniert werden. Die Rettung des Lebens ist oberstes Gebot und darf nie aufgrund eines Dogmas in Frage gestellt werden.

Eine Grundregel gilt es zu beachten: Solange sich der Patient oder die Patientin unter irgendeiner Therapie wirklich wohl fühlt (gleichgültig, um welche es sich handelt), sollte diese auf keinen Fall zugunsten einer homöopathischen Behandlung aufgegeben werden. Wenn er oder sie sich hingegen trotz der Einnahme der Medikamente nicht wohl fühlt, dann macht die Wahl einer homöopathischen Behandlung Sinn.

Die Homöopathie hat klare Gesetze, Definitionen und Regeln, was Gesundheit und Krankheit heisst und wie Heilung zu erfolgen hat. Nachzulesen in Dr. med. Samuel Hahnemann, ‚Organon 6 der Heilkunst’, Verlag Peter Irl, Buchendorf 2007.

Heilung braucht Zeit, Geduld und die Mitarbeit unserer Patientinnen und Patienten. Die Homöopathie hat nichts mit Wunderheilungen zu tun, sondern ist eine Wissenschaft, die sich klaren empirischen Gesetzen unterwirft. Keine Spekulationen und Vermutungen, sondern ein klarer, rationaler Geist und gute psychologische Kenntnisse bestimmen die Verschreibung des homöopathischen Arzneimittels.

Und zum Schluss: Ziel der homöopathischen Behandlung ist nicht, möglichst lange zu leben. Ziel der homöopathischen Behandlung ist es, möglichst gut zu leben.